Staatliche Versicherung der DDR
Staatliche Versicherung der DDR – Allianz Versicherung Berlin | Leipzig
Die Staatliche Versicherung der DDR war die staatliche Versicherungsanstalt der Deutschen Demokratischen Republik mit Sitz in Ost-Berlin. Die einzige Versicherung für Privatkunden in der DDR.
In der Sowjetischen Besatzungszone erfolgte 1945 der Aufbau von öffentlich-rechtlichen Landesversicherungsanstalten (Sachsen, Thüringen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt). Aus diesen 5 Landesversicherungsanstalten wurde 1952 die „Deutsche Versicherungs-Anstalt“ (DVA) gegründet.
Die Vereinigte Großberliner Versicherungsanstalt (staatlicher Versicherer für Ost-Berlin) fusionierte im Jahr 1969 mit der Deutschen Versicherungs-Anstalt (DVA), zur „Staatlichen Versicherung der DDR“.
Das Logo DVA und der SV bestand aus einer stilisierten dreiköpfigen Familie unter dem schützenden Dach. Ein V als Spiegelbild. 1990 wurde die „Staatliche Versicherung der DDR in Abwicklung“ gegründet.
Staatliche Versicherung DDR in Allianz integriert
Als eines der ersten Unternehmen suchte die Allianz in der DDR Fuß zu fassen, unmittelbar nach der „Vereinigung„. Trotzdem hatte die Verbindung zwischen Staatlicher Versicherung der DDR mit der Allianz einen anderen Charakter als das, was später aus der DDR in die private Wirtschaft der BRD einverleibt wurde. Die Staatliche Versicherung der DDR als ein sehr gut gehendes Unternehmen wurde als eines der ersten Unternehmen gleich unmittelbar nach der Währungsunion am 26. Juni 1990 in die Marktwirtschaft über geführt.
In den Berichten der Treuhand über die vielen Schulden der DDR war aber später nie die Rede davon, dass damit die gesamte Versicherung der 16 Millionen zählenden Bevölkerung der DDR übernommen wurde. Dabei handelte es sich sowohl um Gebäudeversicherungen, Hausrat Versicherungen, Lebensversicherungen, auch die Rentenversicherung der in der DDR oft gut verdienenden Selbständigen und Freischaffenden, die Autoversicherungen, die Unfallversicherungen, die Aussteuer Versicherungen usw.Wenn diese Vereinnahmung einmal erwähnt wurde, dann wurde oft nur davon gesprochen, dass die Mitarbeiter noch keine Computer hatten (hatten die Mitarbeiter der Versicherungsanstalten im Westen denn 1990 alle einen?). Oder es wurde festgestellt, dass es noch Mitarbeiter gäbe, die noch in Baracken untergebracht waren. Die Mehrheit der oftmals sogar nebenberuflich tätigen Mitarbeiter der Staatlichen Versicherung der DDR hatte allerdings ein ziemlich gutes Einkommen und waren gar nicht darauf angewiesen, eine Arbeitsstätte aufzusuchen, weil sie ihrer Tätigkeit nämlich oft von zu Hause aus nachgingen. Dabei verdienten sie meist, natürlich in Abhängigkeit von dem Umfang ihrer Tätigkeit und Leistung, sehr gut.
Dass die Staatliche Versicherung der DDR „fieberhaft nach einer Perspektive suchte“, wie der damalige Chef der Allianz Wolfgang Schieren meinte, dürfte eine Übertreibung gewesen sein. Dennoch stand nach der Währungsunion, die auch die Versicherungen erbarmungslos unter die Bedingungen der Marktwirtschaft stellte, die Frage danach, wie man überleben kann.
Für die Allianz war es natürlich sehr interessant, einen anderen, äußerst gut gehenden, Betrieb zu übernehmen, der äußerst gute Geschäfte machte. Noch besser war es, dass man damit zugleich noch einen großen potentiell gefährlich werdenden Konkurrenten in der Umarmung ersticken kann.
Deshalb hatte der Chef der Allianz Wolfgang Schieren einen Plan: Die Allianz sollte die Staatliche Versicherung in die Marktwirtschaft überführen. Die verunsicherten Angestellten und freien Mitarbeiter der Staatlichen Versicherung der DDR befürworteten die Option einer Übernahme durch die Allianz, hieß es damals im „Spiegel “.
So gründete bereits am 26. Juni 1990 die Allianz gemeinsam mit der Treuhandanstalt die Deutsche Versicherungs-AG (DV) und der „Deutschen Lebensversicherungs-AG“ (DLVAG). Sie übernahm die festangestellten Mitarbeiter, die freien Mitarbeiter und den größten Teil der Bestände der Staatlichen Versicherung.
Es war allerdings nie die Rede davon, dass dafür etwas an die Treuhand oder den Staat gezahlt wurde. Auch wurde dieser lukrative Coup oder die Gewinnsumme, die dabei erzielt wurde, später positiv erwähnt, wenn es um die Bilanzen der Kosten für die Übernahme der DDR ging.
Als Wolfgang Schieren am 24. Februar 1996 verstarb, schrieb der „Spiegel“ in seiner Nr. 10/1996 über ihn: „Er galt als Mann der diskreten Diktatur, als Wortführer des Schweigens. Und doch gehörte er bis zuletzt zu den mächtigsten Männern der deutschen Wirtschaft.“
Die Allianz war so mächtig geworden, dass Schieren als ihr Aufsichtsratsvorsitzender nun bei allen Entscheidungen der Industrie ein Wort mit zureden hatte. Er vertrat in den Aufsichtsräten von Siemens, Thyssen, der Dresdner Bank, MAN, RWE oder Karstadt die Interessen der „größten Kapitalsammelstelle der Republik“ („Spiegel). Die Allianz war zur dominanten Versicherung in Europa aufgestiegen, schreibt „Spiegel“. Das Prämienaufkommen der Allianz war in den Jahren seit 1976 von 3,4 auf 48,7 Milliarden D-Mark gestiegen. Das habe sie vor allem Schieren zu verdanken, schreibt “Spiegel“. Aber ohne die Einverleibung der Prämien der Staatlichen Versicherung der DDR hätte die Allianz wohl nicht einmal die 10 Milliarden Grenze erreicht.
Wer weiß andererseits allerdings, was aus der Staatlichen Versicherung der DDR geworden wäre, wenn Birgit Breuel damals bereits das Ruder als Präsidentin der Treuhand in der Hand gehabt hätte. Detlef Karsten Rohwedder war im Juni 1990 bis zu seiner Ermordung am 21. April 1991 noch Treuhand Chef. Ob bei Birgit Breuel überhaupt noch etwas von den Prämien der DDR Bürger, die sie in die Staatliche Versicherung eingezahlt hätten, übrig geblieben wäre, lässt sich heute nicht beantworten. Da diese Frau jedoch über dieses doch einmal geglückte Unternehmen zwischen Staatlicher Versicherung und Allianz bis zuletzt standhaft schwieg, ist anzunehmen, dass sie nicht einmal verstanden hat, wie das hier gemacht wurde. Geschweige denn , dass sie auf eine Nachahmung orientiert hätte.
Ein Zeuge, der als Mitarbeiter der Staatlichen Versicherung der DDR diesen Übergang in die Allianz aktiv mit gestaltete, berichtet in SPIEGEL ONLINE unter dem Titel „Wie wir die DDR-Versicherung abwickelten“. Günter Ullrich war 1990 Hauptdirektor der Staatlichen Versicherung in Leipzig. Marketing hatten Versicherungsvertreter in der DDR nicht nötig. Nach der Übernahme begannen „Jahre voller Chaos. Auch die Führungsriege musste umlernen.“
Mit dem Fall der Mauer änderten sich sämtliche Lebensbedingungen in der DDR grundlegend. Dies galt auch für die Versicherungswirtschaft, die in der Staatlichen Versicherung der DDR gebündelt war. Für die Staatliche Versicherung mit ihren etwa 13.000 Mitarbeitern und 30 Millionen Verträgen war der Fall der Mauer 1989 existenzbedrohend, denn die Staatliche hatte ihre Überschüsse stets an das Ministerium der Finanzen der DDR abgeführt – und folglich für einen eigenständigen Auftritt auf einem neu entstehenden Markt keinerlei Rücklagen.
Als letzter Hauptdirektor der Staatlichen Versicherung der DDR war ich dafür verantwortlich. Wollten wir nicht zusammen mit dem schlingernden Staat untergehen, mussten wir rasch mit einem starken westlichen Partner kooperieren. Während wir in der Führungsmannschaft der Versicherung noch denkbare Wege diskutierte, etwa die Kontaktaufnahme zum westdeutschen Versicherungsverband GDV oder zu großen Versicherungsgesellschaften, erreichte uns Anfang Dezember 1990 ein Schreiben des Vorstandsvorsitzenden der Allianz, Wolfgang Schieren, der Interesse an einem Gespräch bekundete.“
Im Juni 1990 gab es noch so etwas wie ein aktives Mitwirken der Betroffenen in der DDR. Günter Ullrich beschreibt etwas, das eigentlich in allen Betrieben der DDR notwendig gewesen wäre und das dann auch eine tatsächliche Vereinigung mit sich gebracht hätte.
Die Allianz war im Osten nach wie vor ein Begriff – zumal bei den Älteren: Vor dem Zweiten Weltkrieg hatten es an den Standorten Dresden und Magdeburg große Niederlassungen gegeben. Neben Kapitalstärke und Versicherungs-Knowhow erschien uns an einer möglichen Kooperation mit der Allianz vor allem der Name attraktiv, da er uns helfen würde, Kunden und Mitarbeiter zu halten. Die Zeit drängte, und so reiste ich bereits am 4. Januar 1990 mit einem Direktionskollegen zu ersten Gesprächen nach München. Hier skizzierten wir unsere Gedanken zur Umwandlung der Staatlichen Versicherung und signalisierten Interesse an einer Zusammenarbeit. Knapp zwei Wochen später kam Schieren nach Berlin, und wir vereinbarten erste Schritte.
In den folgenden Monaten standen wir unter großem Zeitdruck, da nach dem Mauerfall zunehmend Wettbewerber in den Osten drängten, Offerten unterbreiteten und damit begannen, wichtige Führungs- und Vertriebskräfte abzuwerben. Zugleich standen wir vor der schwierigen Aufgabe, die Arbeit gegenüber den Kunden trotz der vielfältigen Einschränkungen und der extrem zugespitzten Mangelwirtschaft aufrecht zu erhalten. Was das bedeutet, mögen einige Beispiele zeigen: In der Staatlichen wurde die Arbeit dezentral in rund 200 Niederlassungen erledigt, Bausubstanz und Bürotechnik waren veraltet, die Datenverarbeitung erfolgte offline. Da in den letzten Jahren der erodierenden DDR immer mehr rationiert worden war, waren selbst Benzin und Papier Mangelware. In den Niederlassungen mussten daher zunächst sogar Taschenrechner, Sprit und Heizkörper beschafft werden. Die Einstellung aller politischen Schulungen und Veranstaltungen, die Reduzierung der umfangreichen, politisch überfrachteten Berichterstattung und eine Anhebung der Bezüge der Mitarbeiter waren einige Sofortmaßnahmen.
Anfang März schuf der Ministerrat der DDR mit dem „Gesetz zur Umstellung der Arbeit der Staatlichen Versicherung auf marktwirtschaftliche Prinzipien“ die rechtlichen Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit mit der Allianz, was auch unsere Mitarbeiter als besten Weg sahen. In einem offenen Brief an den Ministerrat der DDR hieß es pragmatisch: „Die Mitglieder des Vertretungsorgans halten die Allianz AG für den geeigneten Partner (…), weil sie über die erforderliche Finanzkraft und die Kenntnisse und Erfahrungen eines modernen Versicherungsbetriebs verfügt.„
Selbstvermarktung offenbart Kulturunterschied
Im Rückblick waren vor allem die Jahre 1990 und 1991 absolute Chaosjahre mit äußerst verunsicherten Kunden und ebenso verunsicherten Mitarbeitern. Doch angesichts der neuen Aufgaben und langen Schlangen vor den Niederlassungen blieb kaum Zeit, darüber nachzudenken. Die Mitarbeiter leisteten in diesen ersten Jahren unter schwierigsten Bedingungen Hervorragendes: Sie mussten eine Unmenge Neues lernen, gleichzeitig ohne Ansehen der Zeit hart arbeiten – 50 bis 60 Stunden pro Woche waren damals an der Tagesordnung – und das alles mit der wachsenden Einsicht, später im Innendienst vielleicht nicht mehr gebraucht zu werden. Ich kann heute nur mit Hochachtung und großem Respekt darüber sprechen, und manchmal wünsche ich mir, dass in unserem Unternehmen auch heute mit einer solchen Aufbruchstimmung, mit Optimismus und einem derartigen Engagement die aktuellen Aufgaben angepackt würden.
Der Umbau der Verwaltung und die Ausbildung der Mitarbeiter bedurften eines immensen Kraftaufwands. Viele tausend Experten aus dem Westen halfen über mehrere Jahre hinweg den Kollegen im Osten. Die schwierigste Aufgabe und größte Leistung unmittelbar nach der Gründung der Deutschen Versicherungs AG aber war der Aufbau einer vollständig neuen Vertriebsorganisation unter der Leitung von Michael Beckord mit nahezu 3000 selbständigen Handelsvertretern.
Gerade im Vertrieb zeigte sich auch ein eklatanter Kulturunterschied: Das Anpreisen und Verkaufen – auch die Selbstvermarktung – gab es im Osten in dieser Form kaum; zudem mussten die Versicherungsvertreter im Osten auch erst die Marktwirtschaft lernen. Bei den Vertriebscoachings schauten die Ostdeutschen daher zunächst mit Bewunderung auf das natürliche Selbstbewusstsein der Westdeutschen.
Ohne Alternative
Das war auch im Vorstandskreis nicht anders: Meine damaligen Vorstandskollegen aus dem Westen traten in der Öffentlichkeit mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein auf, konnten etwa spontan mitreißende Reden halten, während ich mich als „gelernter DDR-Bürger“ streng an meine Manuskripte hielt. Auf der anderen Seite besaßen die Ostdeutschen neben einem soliden Fachwissen den kulturell-emotionalen Zugang zu ihren Landsleuten.
Eine neue und für alle Beteiligten äußerst schmerzhafte Erfahrung war der mit der Standortkonzentration einhergehende Personalabbau im Innendienst. Für mich war diese Aufgabe und die damit verbundene Trennung von vielen bekannten und geschätzten Mitarbeitern der mit Abstand schwerste und belastendste Abschnitt meiner beruflichen Laufbahn. Heute bin ich davon überzeugt, dass es hierzu keine Alternative gab. Die neuen Strukturen waren zudem die Grundlage für dauerhafte Arbeitsplätze im Vertrieb.
Immerhin trugen die zahlreichen Mühen und Entbehrungen der Wendezeit bald Früchte: Durch gute Akquisitionsergebnisse und eine deutliche Senkung der Betriebskosten errang die Deutsche Versicherungs AG 1994 erstmals den begehrten „Speerwerfer“ der Allianz für die beste Jahresleistung aller Niederlassungen. 1995 war dann das erste wesentliche Hauptziel – ein positives Betriebsergebnis – mit 335 Millionen D-Mark erreicht.
Am Ende hatten wir einen sozialistischen Monopolversicherer zu einem modernen Versicherungsunternehmen umgebaut, das heute sogar mehr hauptberufliche Jobs bietet als es die Staatliche Versicherung 1989 tat. Das wichtigste Versicherungsprodukt der DDR, eine Haushaltsversicherung mit Elementarschadenabsicherung, blieb als Besonderheit des Ostens bestehen. Fast jeder zweite Haushalt in den neuen Ländern hat noch heute eine solche Police, die bei den verheerenden Überschwemmungen von Oder und Elbe 1997 und 2002 zum Einsatz kam.“
Der Autor leitete die Integration der Staatlichen Versicherung in den Allianz Konzern und war bis zu seiner Pensionierung 2001 Chef der Allianz Zweigniederlassung Leipzig. (Quelle: LP 29.04.2013)
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