Verzicht auf Fahrradhelm bewirkt kein Mitverschulden

9. Aug 2013 | Familie & Freizeit

Eine Helmpflicht für Radfahrer gibt es in Deutschland bisher nicht. Trotzdem sollten Radler auf den Schutz nicht verzichten. Verletzt sich ein Radfahrer bei einem Zusammenstoß am Kopf, muss er sich eine Mitschuld anrechnen lassen, sofern ein Helm die Schwere der Verletzung gemildert hätte? Rund 20 Prozent aller Schulwegunfälle mit dem Fahrrad enden mit einer Kopfverletzung. Daher ist nicht nur für Schüler das Tragen eines Fahrradhelms dringend anzuraten.

helmpflicht-fahrrad © Fotolia.com

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Zwar muss ein Sturz vom Fahrrad nicht zwangsweise schwere gesundheitliche Folgen nach sich ziehen. Doch im Falle eines Schädelhirntraumas könnte der Verunfallte von einem Wachkoma bis hin zu einer lebenslangen Behinderung betroffen sein. Grundsätzlich sollten Eltern daher bei ihren Kindern darauf achten, dass sie bei jeder Radtour, und sollten es auch nur wenige Meter sein, einen Helm aufsetzen. Aber auch den Eltern selbst und allen anderen Erwachsenen ist anzuraten, nicht ohne Helm in die Pedale zu treten.

Bewirkt der Verzicht auf den Radhelm ein Mitverschulden?

Haben Fahrradfahrer eine Mitschuld an der Schwere von Kopfverletzungen bei Fahrradunfällen, wenn sie keinen Helm tragen? Die Stiftung Warentest schreibt: "Radfahrer müssen keinen Helm tragen. Werden sie unver­schuldet in einen Unfall verwickelt, bekommen sie vollen Schaden­ersatz und volles Schmerzens­geld."

Der Bundesgerichtshof hob mit dieser klaren Entscheidung ein Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig auf. Informationen zu den Urteilen stehen weiter unten im Text.

Unfallversicherung – Sicherheit rund um die Uhr

Wer trotz aller Vorsichtsmaßnahme einen Unfall erleidet und dabei bleibende Schäden davonträgt, dem droht ohne eine private Unfall- oder Berufsunfähigkeits-Versicherung ein finanzielles Desaster. Eine private Unfallversicherung zahlt hingegen für alle versicherten Unfälle, ob in der Freizeit oder während der Arbeit, beispielsweise eine vereinbarte Summe bei Invalidität aus. Damit wäre es unter anderem möglich, sein Eigenheim behindertengerecht umbauen zu lassen. Einem verunfallten Kind könnte mit dem Geld aber auch eine entsprechend seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten angemessene Schul- und Ausbildung ermöglicht werden. Sollte man als Erwachsener aufgrund der Schädigung seinen Beruf nicht mehr ausüben können, würde eine private Berufsunfähigkeits-Versicherung mit einer Rentenzahlung einspringen.

Fahrradhelm aus Papier – Sicherheit trifft auf Umweltschutz

Alternative zum Fahrradhelm – einmal benutzt und dann ins Altpapier? Studenten der Londoner Hochschule für Kunst haben sich darüber Gedanken gemacht – mit erstaunlichem Ergebnis. Denn sie haben eine Idee für billige Fahrradhelme entwickelt. Papier soll schwere Verletzungen ebenso abhalten können, wie die Kollegen aus Kunststoff. Bei den herkömmlichen Fahrradhelmen aus Plastik rät man üblicherweise vom Kauf der Billigvarianten ab, da diese den Zweck nur sehr unzureichend erfüllen. Doch was versprechen die Papierhelme für 3 Euro pro Stück – Ein Zusammenspiel von Umweltschutz und Sicherheit?

Was ist das Besondere am Papier-Fahrradhelm?
Der Helm trägt den Namen „Paper Pulp Helmet“, und erfüllt alle geforderten Sicherheitsstandards, die für Helme gelten. Zudem besteht er aus recyceltem Material und kann auch nach dem Gebrauch entsprechend wiederverwendet werden. Der Beginn der Herstellung erinnert an Pappmache, denn die alten Zeitungen werden mit Wasser zu einem Brei gemischt. Wasserfestigkeit und Härte wird erreicht, indem man diesem Brei einen organischen Zusatzstoff untermischt. 6 Stunden soll man im Regen damit auskommen, ohne dass der Kopf nass wird. Die Lebensdauer ist also eher eingeschränkt, denn der Helm ist nach dem einmaligen Gebrauch oft nicht mehr weiterzuverwenden.

Die Erfinder feilen noch am Design, aber der richtige Weg ist gefunden. Auch die Fahrradverleiher dürften mit dem Verkauf dieser „Einmalhelme“ ihre Bedenken über Bord werfen können und der Schutz der Fahrer ist nicht eingeschränkt.

Ein Fahrrad kann heute in jeder Stadt ausgeliehen werden, und viele nutzen diesen Service vor allem im Urlaub gern. Doch meist scheitert es an der Leihmöglichkeit von Helmen. Diese sind recht teuer und werden daher nicht mit vermietet. Auch Radfahrer, die mit dem eigenen Rad unterwegs sind, tragen viel zu oft keinen Schutzhelm. Während sich bei den Kindern das Bild auf unseren Straßen gut entwickelt hat, und viele von ihnen geschützt unterwegs sind, konnte sich diese „Mode“ bei den Erwachsenen eher nicht durchsetzen.

Die richtige Helmwahl

Die Auswahl der Helme ist groß. Doch nicht automatisch ist das teuerste Modell auch das beste. Der DGUV gibt Tipps für den Helmkauf:

  • Der Helm sollte geprüft sein und der entsprechenden DIN-Norm "Helme für Radfahrer und für Benutzer von Skateboards und Rollschuhen" entsprechen (DIN EN 1078).
  • Wichtig ist die Anpassung des Helms an die jeweilige Kopfform. Er sollte weder zu locker sitzen noch zu fest. Eventuell könnten Mitarbeiter aus dem Fachhandel bei der richtigen Einstellung behilflich sein.
  • Der Helm sollte gerade auf dem Kopf sitzen und die Ohren im Dreieck der Riemen liegen. In dieser Position sollte der Helm am Kopf fixiert werden, zum Beispiel durch den entsprechenden Drehverschluss. Bei leichtem Vorbeugen des Kopfes sollte der Helm nun nicht mehr vom Kopf rutschen. Zum Schluss ist es wichtig, denn Kinnriemen festzuziehen. Dabei sollten noch zwei Finger zwischen Gurt und Hals passen.

BGH – Radfahrer ohne Fahrradhelm tragen keine Teilschuld

Radfahrer haben auch ohne Fahrradhelm Anspruch auf vollen Schadensersatz! Das interessantes Urteil (Az. VI ZR 281/13 externer Link) fällte der Bundesgerichtshof Karlsruhe (2014). Als Radfahrer hat man bei einem unverschuldeten Unfall selbst dann Anspruch auf Schadensersatz, falls man zum Zeitpunkt des Unfalls ohne Helm unterwegs gewesen war.

Mit dieser Entscheidung hoben die Richter ein ehemaliges Urteil, das damals vom Oberlandesgericht Schleswig (OLG) gefällt worden war, endgültig auf. Dieses plädierte nämlich noch auf eine zumindest zwanzigprozentige Teilschuld einer geschädigten Radfahrerin.

In diesem konkreten Fall ging es darum, dass eine Radfahrerin auf dem Weg zur Arbeit ein parkendes Auto passierte. Als die Fahrerin unerwartet die Fahrertür öffnete, ohne dabei in den Rückspiegel zu blicken, stürzte die Radfahrerin schwer und zog sich dabei schwere Verletzungen am Kopf zu. Nach zweimonatiger Behandlungszeit in der Klinik klagte die Geschädigte daraufhin auf Schmerzensgeld sowie auf die finanzielle Begleichung sämtlicher Schäden, die aus dem Unfall entstanden sind. Pikant dabei: Die Frau war ohne Helm auf dem Fahrrad unterwegs gewesen.

Radfahrer trifft nicht einmal Teilschuld bei Unfällen

Radfahrerin auf dem Radweg zur Arbeit

Radfahrerin auf Radweg

Zunächst pochte der Siebte Zivilsenat des OLG in der Vorinstanz auf eine Teilschuld von zwanzig Prozent der geschädigten Radfahrerin. Die Begründung dafür sei das sehr hohe Verletzungsrisiko für Radfahrer im Straßenverkehr. Eine Helmpflicht bestünde demnach zwar nicht, allerdings könne man sehr wohl davon ausgehen, dass ein verantwortungsbewusster Mensch zur Verhinderung eines eigenen Schadens auf dem Fahrrad einen Helm tragen wird. Dieses Urteil hob der Bundesgerichtshof nun zugunsten der Radlerin auf, dabei kritisierten die Richter jedoch ebenfalls die fehlende Helmpflicht in der Bundesrepublik.

Im Vergleich zur Vorinstanz warben die Richter in Karlsruhe mit dem Argument, es habe im Unfalljahr 2001 keinerlei Verkehrsbewusstsein geherrscht – zumindest nicht insofern, dass auf dem Fahrrad das Tragen eines Helmes zum eigenen Schutze notwendig sei. Dieses mangelnde Bewusstsein untermauerten die Juristen mit Statistiken: Nach Verkehrsbeobachtungen der Bundesanstalt für Straßenwesen, die im Jahr 2001 durchgeführt wurden, trugen lediglich elf Prozent der Radfahrer einen Helm.

Streit über die bundesweite Helmpflicht
Vollständiger Anspruch auf Schadensersatz – Letzten Endes lautete der Richterspruch, dass die Autofahrerin sowie ihre KFZ-Haftpflicht der Geschädigten nun sämtliche Schäden des Unfalls – und noch weiterhin dadurch entstehende Kosten ersetzen müssen – auch auf ein Schmerzensgeld habe die Frau absolut Anspruch. Die klagende Dame, interessanterweise eine Physiotherapeutin, ist infolge des Unfalls körperlich beeinträchtigt und nur noch eingeschränkt in der Lage, ihrer Arbeit korrekt nachzugehen. Damit ist dieses Urteil rechtskräftig.

Für die Zukunft bleibt abzuwarten, ob der Richterspruch den Streit über eine Radfahrer-Helmpflicht in Deutschland neu entfacht. Viele Versicherungen plädieren schon seit Jahren für diese Pflicht, unter anderem mit dem Argument, dass ein Helm zumindest bei einem leichten Sturz gesundheitliche Schäden vermindern kann.

OLG Schleswig – Richter geben Radlern ohne Helm Unfall-Mitschuld

Dies entschied das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein in einem Rechtsstreit (2013). Im konkreten Fall (Az. 7 U 11/12 externer Link) befand sich die Klägerin mit ihrem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit. Einen Fahrradhelm trug sie nicht. Die Halterin eines parkenden PKW übersah die herannahende Radlerin und öffnete von innen die Fahrertür, so dass die Radfahrerin nicht mehr ausweichen konnte und stürzte. Schwere Schädel-Hirn-Verletzungen waren die Folge, so dass die Verunglückte zwei Monate im Krankenhaus bleiben und zudem eine lange Reha machen musste.

Kfz-Haftpflicht wollte nicht den vollen Schaden zahlen
Nach dem Sturz verlangte die Radlerin von der KFZ-Haftpflichtversicherung der Unfallverursacherin, dass ihr alle entstandenen Schäden ersetzt werden und sie zudem ein Schmerzensgeld erhält. Der Versicherer wollte jedoch die volle Schadenssumme nicht bezahlen und argumentierte, die Radfahrerin habe ein Mitverschulden an ihren Kopfverletzungen – schließlich hätte sie die Unfallschäden durch die Benutzung eines Fahrrad-Helmes mildern können. Daraufhin zog die Radfahrerin vor Gericht.

Aber auch das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein betonte, dass die Radfahrerin ein Mitverschulden an den erlittenen Schädelverletzungen trägt. Weil sie keinen Helm benutzte, habe sie Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen, betonten die Richter. Zwar gebe es keine Helmpflicht in Deutschland, aber Radfahrer seien im Straßenverkehr einem besonderen Verletzungsrisiko ausgesetzt.

Radfahrer im Straßenverkehr besonders gefährdet
In der Urteilsbegründung heißt es: „Der gegenwärtige Straßenverkehr ist besonders dicht, wobei motorisierte Fahrzeuge dominieren und Radfahrer von Kraftfahrern oftmals nur als störende Hindernisse im frei fließenden Verkehr empfunden werden. Aufgrund der Fallhöhe, der fehlenden Möglichkeit, sich abzustützen (die Hände stützen sich auf den Lenker der keinen Halt bietet) und ihrer höheren Geschwindigkeit, z.B. gegenüber Fußgängern, sind Radfahrer besonders gefährdet, Kopfverletzungen zu erleiden.“

Gerade gegen dieses Verletzungsrisiko solle der Fahrrad-Helm schützen. Daher könne nach dem heutigen Erkenntnisstand grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens beim Radfahren einen Helm tragen wird, argumentierten die Richter.

Der Mitverschuldensanteil der Radlerin wurde mit 20 Prozent vermessen, da das grob fahrlässige Verhalten der Autofahrerin deutlich schwerer wiege als der vernachlässigte Schutz. Die Versicherung ist also berechtigt, die Schadensersatzleistung zu kürzen. (OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 05.06.2013, Az.: 7 U 11/12)

(VB) (SH)


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