In Deutschland werden mehr Windeln für Erwachsene produziert als für Kinder! Die Ursache: Inkontinenz. Betroffen ist davon eine von sieben Frauen über 35 Jahren, bei den Seniorinnen ist es jede Dritte. Männer bekommen dieses Problem erst im hohen Alter und meist erst nach Prostataoperationen. Und dieses Leiden ist mit einer dreifachen Sprachlosigkeit behaftet: Die Frauen genieren sich darüber zu reden, manche Ärzte sprechen das Thema ungern an, weil die Kassen die Behandlung kaum bezahlen und die Presse greift es ungern auf, weil es als schmuddelig gilt. Vorlagen und Windeln mögen lindern und können sogar auf Rezept von Ihrem Arzt verordnet werden. Sie beheben aber nichts.
Warum wollen Sie sich länger damit quälen?
Die Behandlungsmöglichkeiten auf diesem Gebiet haben in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. So kann man inzwischen die häufigsten Harninkontinenzarten der Frau alle medikamentös behandeln. Und wenn die Medikamente nicht greifen, stehen heute eine Anzahl guter Operationsmethoden zur Verfügung, die nicht nur wesentlich erfolgreicher sind als früher, sondern meist ohne Narkose oder großen Schnitt mit nur kurzem Krankenhausaufenthalt durchgeführt werden können.
Welche Formen der Blasenschwäche gibt es?
Blasenschwäche ist ein Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen. Zunächst muss mithilfe von Untersuchungen eine genaue Diagnose gestellt werden. Die Blase ist ein kompliziertes Organ. Während man früher annahm, dass hauptsächlich Geburten die Auslöser von Blasenschwäche bei Frauen sind, hat sich inzwischen herausgestellt, dass häufiger angeborene Bindegewebs- und Muskelschwächen oder die hormonellen und körperlichen Veränderungen während der Schwangerschaft sowie die Hormonumstellung in den Wechseljahren dafür verantwortlich sind.
Manche Menschen haben das Problem eines unwillkürlichen Harnabgangs seit ihrer Jugend. Im Volksmund spricht man oftmals von einer Erstklässler- oder Konfirmandenblase. Schlechte bzw. unregelmäßige Trink- und Toilettengewohnheiten können ebenso die Ursache dieser Beschwerden sein wie verschiedene Reizzustände. Eine typische Beschwerde ist häufiger, plötzlich einsetzender Harndrang. Aber die Blase hält dicht, man verliert (noch) keinen Urin.
Dranginkontinenz – die überaktive Blase
Man kann diese Form der Blasenschwäche als Steigerung der Reizblase betrachten. Meistens hat sie auch so begonnen: Die Betroffenen müssen immer schneller und in kürzeren Abständen die Toilette aufsuchen, bis sie plötzlich feststellen, dass der Weg zu weit war, der Slip oder die Einlage bereits feucht ist. Die Behandlung erfolgt zunächst wie im Falle einer Reizblase:
- Feststellen, ob die Blase ausreichend geleert werden kann
- Urinuntersuchung (z. B. auf Entzündungsmerkmale)
- falls ein Hormonmangel vorliegt: Verabreichung von Östrogenen am besten in Form von Vaginalcreme oder -zäpfchen)
- ausreichend viel trinken
- „Toilettentraining“
- Medikamente, die den Harndrang normalisieren
- Krankengymnastik (u.a. Beckenbodengymnastik; hier viel zu selten eingesetzt)
Belastungsinkontinenz
Dies ist die häufigste Form der Blasenschwäche bei Frauen in den Wechseljahren: Der Schließmuskel der Blase arbeitet nicht mehr so wie er sollte. Bei alltäglicher körperlicher Belastung wie Niesen, Lachen oder schwerem Heben kommt es zum unfreiwilligen Abgang von Urin. Der Schließmuskel der Harnblase, der dies verhindern soll, ist ein komplizierter Mechanismus aus Bändern, Muskeln und dehnbarem Gewebe, deren Funktion mit den Jahren nachlässt. Es beginnt oft schon in der Schwangerschaft: Frauen bemerken, dass sie beim Husten ein paar Tropfen Urin verlieren. Hebammen erklärten dies früher damit, dass der Kopf des Babys auf die Blase drücke. Heute wissen wir es besser: Dieses Problem ist auf Veränderungen des Bindegewebes zurückzuführen, die mit der Schwangerschaft einhergehen – ähnlich wie die Entstehung von Krampfadern. Nach der Geburt bilden sich diese teilweise zurück. Ebenso schließt die Blase wieder besser, aber häufig nur für einige Jahre.
Bevor operiert wird, sollten alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden. Es gibt seit einigen Jahren ein Medikament, das den Schließmuskel der Blase stärkt: Duloxetin. Zugleich sollte man das Problem mit Beckenbodengymnastik oder dem Einsatz von Pessaren (Ringe/Schalen aus Gummi) zur Stabilisierung der Beckenbodenstatik bekämpfen. Wenn diese Behandlungsmethoden nicht genügen, kann diese Form der Blasenschwäche in den meisten Fällen durch eine Operation behoben werden. Dafür sind heute nur noch kleine Eingriffe nötig („Knopfloch-Chirurgie“) und man muss nur wenige Tage in der Klinik verbringen. Bei solchen Operationen wird zur Unterstützung des Körpers ein kleines Nylonband unter der Harnröhre eingesetzt. Die Erfolgsrate dieser Eingriffe liegt bei 80 bis 90 Prozent. Das bedeutet: Bei einer bis zwei von zehn operierten Frauen versagt die Methode – aus verschiedenen Gründen.
Doch das ist noch lange nicht das Ende. Hilft die Operation nicht, sollte man einen Spezialisten aufsuchen. Diese können fast immer helfen, wobei zunächst geklärt werden muss, warum die Methode versagt hat. Es gibt eine weitere Methode, bei der gewebsverhärtende Substanzen (wie man sie auch in der kosmetischen Chirurgie verwendet, um Falten weg zuspritzen) in die Harnröhre eingespritzt werden (Bulking Agents). Der Eingriff kann unter örtlicher Betäubung unter Umständen auch ambulant durchgeführt werden. Die Erfolgsraten sind aber nicht so gut wie bei den „Bandoperationen“.
Die Behandlung der Blasenschwäche
Die Ursachen für Blasenschwäche eindeutig zu benennen, ist schwer. Meistens liegen mehrere Störungen vor, die nicht mit einer Medizin allein zu beheben sind.
Optimal für die Behandlung ist eine gute Zusammenarbeit von Fach- und Hausärzten sowie (ganz wichtig) einer Krankengymnastin. Diese sollte aber auf Beckenbodengymnastik spezialisiert sein. Der Beckenboden spielt bei allen Blasenschwächen eine wichtige Rolle.
Sinnvoll sind die Anwendung spezieller Übungsgeräte (Biofeedback-Geräte), um die Kontraktion der Beckenbodenmuskulatur sichtbar zu machen, und/oder Reizstromgeräte, die auch zur „Beruhigung“ einer nervösen Blase eingesetzt werden können. Erfahrungsgemäß genehmigen die gesetzlichen Krankenkassen nach Prüfung der Unterlagen diese Geräte meist anstandslos, während die privaten Krankenversicherungen eine Kostenübernahme oft verweigern. Eine Expertenrunde hat die positive Wirkung dieser physiotherapeutischen Geräte klar bejaht.
Tipp:Je früher eine Blasenschwäche behandelt wird, desto einfacher ist die Heilung. Keinesfalls gilt der Satz: Das ist halt bei einer Frau normal!
Um die Suche nach einem Spezialisten zu erleichtern, hat die Arbeitsgemeinschaft Urogynäkologie und Beckenbodenrekonstruktion e.v. eine Kennzeichnung von Ärzten entsprechend ihrer Qualifikation eingeführt. Sie finden auf www.agub.de unter AGUB I: Ärzte, die sich in der Behandlung von Blasenschwäche auskennen, AGUB II: Ärzte, die Harninkontinenzoperationen durchführen. AGUB-III-Ärzte sind Ansprechpartner, wenn die Operation nicht geholfen hat. (Autor: M. Muffin)