Kann die Versicherung Leistung wegen Fahrlässigkeit kürzen?

22. Jun 2016 | Haus & Wohnung

Gerade noch bei schönstem Kerzenschein gekuschelt, dann eingeschlafen. Oder ordentlich durchlüften und währenddessen das Haus verlassen, während ein Sturmtief heranzieht. Kleine unschlaue Handlungen passieren jedem mal. Aber ab wann gelten diese kleinen oder großen Malheures als fahrlässig und wie stuft man ab?

leistungskuerzung-grobe-fahrlaessigkeit-versicherung © Fotolia.com

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Wo beginnt die grobe Fahrlässigkeit?
Um sich im Prinzip der Fahrlässigkeit zurechtzufinden, hat man diese unterteilt in grobe Fahrlässigkeit und einfache Fahrlässigkeit. Fahrlässigkeiten sind überall anzutreffen und so meint der Begriff alles, was im Straßenverkehr und im sonstigen Alltag an Unachtsamkeiten geschieht. Nun gibt es einen allgemeinen Maßstab, der erkennbar macht, ob ein Unfall oder ein Schaden das Ergebnis von Fahrlässigkeit ist.

Konkret heißt das, wer eine rote Ampel missachtet, weil er wegen der blendenden Sonne nichts erkennen kann, handelt grob fahrlässig. Denn dass beim „blinden“ Fahren ein erhöhtes Unfallrisiko besteht, sollte jedem klar sein. Das heißt, wenn jemand die Folgen seines Handels einordnen kann und trotzdem nicht entsprechend vorausschauend handelt, bewegt er sich im Bereich der Fahrlässigkeit. Er begeht letztlich eine grobe Fahrlässigkeit und Sorgfaltsverletzung.

Leichte oder schwere Fahrlässigkeit
Von einer leichten Fahrlässigkeit spricht man, wenn sich unvorhersehbare Missgeschicke ereignen, beispielsweise weil man in Hektik etwas umstößt. So klar wie hier in den Beispielen ist die Unterscheidung zwischen grob und leicht fahrlässig in der Praxis allerdings häufig nicht. Und so müssen bisweilen die Gerichte entscheiden, ob es sich um das eine oder andere handelt. Hierbei entscheidet oft der jeweilige Einzelfall.

Grobe Fahrlässigkeit | Leistungsanspruch | Kfz-Kaskoversicherung

Grobe Fahrlässigkeit

Es hat sich abgezeichnet, dass eine Vielzahl von Versicherern in jüngster Zeit immer öfter Fälle von grober Fahrlässigkeit in den Leistungsanspruch einschließen, beispielsweise in die Kfz-Kaskoversicherung. Das bedeutet, dass Versicherungen grobe Fahrlässigkeit nun nicht mehr so konsequent ahnden wie noch vor einiger Zeit, nur folgt die ausgezahlte Versicherungssumme einer Kürzungsquote. Entscheidend für die Quote ist die Schwere eines Falles. Betrunken mit dem Auto fahren ist dabei das obere Ende der Fahnenstange, also eine der wirklich schwersten denkbaren fahrlässigen Handlungen. Wem Trunkenheit am Steuer nachgewiesen wird, dem kann eine Kürzungsquote von bis zu 75 Prozent ereilen, oder mehr.

Verzicht auf Einrede grober Fahrlässigkeit

Viele Versicherer verzichten darauf, ihren Kunden eine grobe Fahrlässigkeit „einzureden“, das heißt, dem Kunden, der einen Schaden angerichtet hat, wird nicht unterstellt, er habe grob fahrlässig gehandelt. So werden Brandschäden als Folge vergessener brennender Kerzen oder Schäden nach einem schweren Sturm in den neueren Tarifen gelegentlich gleich mitversichert. Es lohnt sich im jeweiligen Versicherungsvertrag genau nachzulesen, ob und wie grob fahrlässiges Handeln mitversichert ist.

Hausratversicherung: Muss die Tür abgeschlossen sein oder reicht es auch aus, wenn man sie nur ins Schloss fallen lässt?
Wenn in die Wohnung eingebrochen wird, übernimmt die Kosten in der Regel die Hausratversicherung. Doch unter welchen Bedingungen zahlt die Versicherung überhaupt? Muss eine Tür zum Beispiel mit zwei Schlüssel-Umdrehungen abgeschlossen sein, damit man seinen Schaden ersetzt bekommt? Derartige Informationen liest man im Internet recht häufig. Doch ob sie stimmen, mit dieser Frage hat sich aktuell die „Deutsche Anwaltauskunft“ auseinandergesetzt.

Versicherung darf Leistung nur anteilig kürzen

Grundsätzlich gilt: Selbst wenn der Versicherungsnehmer die Wohnungstür abzusperren vergaß, kann der Hausratversicherer seine Leistung nicht komplett verweigern. Seit einer Reform des Versicherungsvertragsgesetzes im Jahr 2008 ist es den Anbietern nur gestattet, die Leistung anteilig zu kürzen. „Wie hoch die Kürzung ausfällt, hängt immer von den Umständen im jeweiligen Einzelfall ab“, weiß Monika Maria Risch von der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV).

Dennoch sollte das keine Einladung zum Leichtsinn sein. Denn je fahrlässiger sich der Verbraucher verhält, umso stärker fallen auch die Kürzungen der Versicherung aus. Negativ fällt zum Beispiel ins Gewicht, wenn man das Fenster beim Verlassen der Erdgeschoss-Wohnung angekippt lässt, obwohl teurer Schmuck im Wohnzimmer liegt. Und wer zu einer längeren Urlaubsreise aufbricht, sollte besser alle Türen und Fenster verschlossen haben!

Grobe Fahrlässigkeit

Tür wurde mit zwei Schlüssel-Umdrehungen abgeschlossen

2 Schlüssel-Umdrehungen

Tür sollte abgeschlossen sein – je nach Situation
Grundsätzlich sind Versicherungsnehmer laut Rechtsprechung verpflichtet, die Tür beim Verlassen der Wohnung abzuschließen, berichtet das Portal anwaltauskunft.de. Ein bloßes Zuziehen kann zwar bereits ausreichend sein, aber nur dann, wenn sich der Betroffene nur kurzfristig entfernt, etwa um ein Paket beim Nachbarn abzuholen. Bereits eine Abwesenheit von zwei Stunden kann eine Kürzung der Versicherungsleistung um 50 Prozent bewirken, wenn die Tür nur zugezogen und nicht abgeschlossen war, hat das Landgericht Kassel entschieden (Az. 5 O 2653/09 externer Link).

Aus der bisherigen Rechtsprechung lässt sich übrigens keine Pflicht herleiten, den Schlüssel beim Abschließen zweimal herumzudrehen, wie auf vielen Online-Foren fälschlicherweise behauptet wird. Aber auch hier entscheidet der Einzelfall. Gerade bei längerer Abwesenheit sollte man deshalb lieber doppelt absperren – schließlich sollen es auch die Einbrecher nicht zu einfach haben!

Hausratversicherung, Schuldverstrickungen und Leistungskürzung

Ist es fahrlässig, sein Kind in der Nähe von Feuerzeugen spielen zu lassen, auch wenn man glaubt, dass diese allesamt leer seien? Nun hat ein Kind mit genauso einem Feuerzeug einen Brandschaden von 50.000 Euro angerichtet, dabei sollte das achtjährige Kind doch nur mal ein bisschen am Computer im Arbeitszimmer des Vaters spielen. Die Versicherung reagiert gereizt mit Leistungskürzung. Wie weit darf sie hier gehen?

Versicherung kürzt Leistung wegen Fahrlässigkeit – Wie viel ist ok?

Kind mit Streichholz

Am Schreibtisch, an dem das Kind spielen sollte, gab es einige verführerische Schubladen, die das Kind öffnen konnte, da sie nicht verschlossenen waren. In den meisten lagen wohl nur langweilige Papiere, doch ein Fach barg den Fund aufregender Gegenstände. Es lagen da mehrere leere Feuerzeuge, die der Vater dort bis zur nächsten Befüllung aufzubewahren pflegte. Nun war das Kind entweder sehr geübt im Umgang mit Feuerzeugen oder es war Zufall, dass er einem davon, obwohl es leer war, eine Flamme entlocken konnte. Die Flamme brannte mit großen Intensität und als man das Feuer endlich wieder unter Kontrolle hatte, betrug der Schaden, den das spielende Kind verursacht hatte, bereits fünfzigtausend Euro.

Grund Leistungskürzung: Grobe Fahrlässigkeit

Wie viel Schuld kann man dem Vater nun in so einem Fall anlasten? Die Hausratsversicherung jedenfalls kürzte die Versicherungsleistung im Anschluss an das Feuerereignis um fünfzig Prozent mit der Begründung, es sei hier eindeutig grobe Fahrlässigkeit am Werk gewesen. Doch der Vater versicherte, alle Feuerzeuge seien leer gewesen. Die Versicherung fand, dies sei nur eine Schutzbehauptung und wies sie zurück. Das Oberlandesgericht Nürnberg aber folgte jedoch dem Prinzip des Vaters, welches besagte, in der Schublade bewahre er nur Feuerzeuge auf, die leer seien und ihrer Wiederbefüllung harrten. Der Sohn hat die Feuerzeuge offenbar probiert und einem vermeintlichen leeren Feuerzeug einen Funken abtrotzen können, welcher ein Blatt Papier entzündete und schließlich den ganzen Wohnraum in Brand setzte. So erkannte das Gericht den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit, der durch die Versicherung geäußert worden war, durchaus an.

Kürzung der Leistung um 25 Prozent

Es sei deshalb berechtigt, die Versicherungsleistung zu kürzen. Nicht berechtigt allerdings sei die Versicherung, eine derart drakonische Kürzung von fünfzig Prozent vorzunehmen. Das Gericht fand in diesem Fall eine Kürzung um fünfundzwanzig Prozent für angemessen. Gründe, die den Vorwurf der Fahrlässigkeit in seiner Richtigkeit bestärkten, lauteten:

• Feuerzeuge müssen grundsätzlich so verwahrt werden, dass sie Kindern unter zwölf Jahren nicht leicht zugänglich sind
• Feuerzeuge, die noch einen Rest Brennstoff enthalten, bergen ein erhebliches Gefahrenpotential. Der Vater hat mit seiner Form der Aufbewahrung deshalb eine allgemeine Sicherheitsregel missachtet
• Als Raucher hätten den Eltern klar sein müssen, dass dem Sohn aufgrund des Nachahmungstriebs, der für alle Kinder gilt, Interesse gehabt haben muss, mit Feuerzeugen zu spielen

Kein Entschuldigungsgrund ist die Tatsache, dass die Feuerzeuge nicht offen herum lagen, sondern in einer unverschlossenen Schublade verwahrt wurden. Im Ergebnis also fand es das Gericht angemessen, dass die beklagte Versicherung ihre Versicherungsleistung wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls gem. § 81 Abs. 2 VVG externer Link um 25 Prozent kürzt. (OLG Nürnberg, Urteil v. 11.04.2016, 8 U 1688/15 externer Link). (Haufe) (VB)

Zudem sollte im Versicherungsvertrag ein „Verzicht auf Einspruch grober Fahrlässigkeit“ vereinbart sein, sonst darf die Versicherung schon bei kleinen Unaufmerksamkeiten die Leistung stark kürzen. Die Mehrheit der Anbieter hat die wenig kundenfreundliche Klausel mittlerweile in den meisten Tarifen gestrichen – aber gerade bei „älteren“ Policen ist sie noch oft enthalten! Daher regelmäßig den Versicherungsschutz prüfen! Tel: (03303) 211512


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