Bei einer regionalen Befragung der Münsteraner Dermatologin Professor Sonja Ständer und ihrem Team gaben sogar 17 Prozent von 11 000 Arbeitnehmern an, darunter zu leiden. Alarmierende Zahlen, denn in der Öffentlichkeit wird Juckreiz meist nur als eine Frage von Sauberkeit bagatellisiert. Mit dem Ergebnis, dass sich laut Professor Ständers Umfrage nur die Hälfte der Betroffenen überhaupt zum Arzt wagten und die wenigsten eine Therapie verschrieben bekamen.
Juckambulanz
„Dabei wird Juckreiz oft schlimmer als Schmerz empfunden“, so Professor Ständer, die das Problem als „Volkssymptom“ bezeichnet. Vor Jahren richtete sie an der Uni Münster Europas erste Juckambulanz ein, die immer mehr Patienten aufsuchen, übrigens aus aller Welt. Durch die Gründung einer internationalen Juckreiz-Gesellschaft gibt es inzwischen auch medizinische Leitlinien, die das Problem immer wirkungsvoller bekämpfen und ins richtige Licht rücken.
Schutzeinrichtung
Juckreiz hat mit mangelnder Hygiene nichts zu tun. Ursprünglich ist er eine sehr sinnvolle Schutzeinrichtung der Natur, um lästige Störenfriede und Gefahrenquellen wie Insekten, Pflanzenstoffe oder Chemikalien auf unkomplizierte Weise durch Kratzen zu entsorgen. Dummerweise kann das aber zu Hautverletzungen führen. Und leider kommen als Auslöser auch eine Reihe von Grunderkrankungen in Betracht, die erst mal gefunden werden müssen.
Memory-Effekt
„Menschen mit einer Veranlagung für Neurodermitis werden besonders häufig von chronischem Juckreiz heimgesucht,“ so Dr. Ständer. „Ebenso können Allergien, Bluterkrankungen, Schuppenflechte, Nesselsucht, Kontaktekzeme, Nieren- und Leberschäden, aber auch Eisen- oder Zinkmangel und sogar bestimmte Medikamente dazu führen.“ Erschwerend kommt hinzu, dass das Gehirn, ähnlich wie beim damit eng verwandten Schmerz, offenbar eine Art „Juckgedächtnts“ besitzt. „Dadurch bleibt der Juckreiz oft aktiv“, so Sonja Ständer, „obwohl die Ursache längst geheilt ist.“
Rätsel Kratzen
„Das Problem ist nicht der Mückenstich oder der spontane, harmlose Kratzreflex“, erklärt die Dermatologin, die ab der sechsten Woche von chronischem Juckreiz spricht. Viele der Geplagten sind über Monate, sogar Jahre hinweg mit juckender Haut eingeschlafen, damit aufgewacht und sie haben in regelrechten Kratzattacken ihre Gliedmaßen und Körper geschunden, ohne Hilfe zu finden. Warum das Kratzen lindernd wirkt, sorgt ohnehin für Rätsel. Kernspinuntersuchungen legen nahe, dass es einen Belohnungsreiz im Gehirn auslöst, der es auch so angenehm macht, wenn ein neuer Schmerz den Juckreiz überlagert.
Nervensache
1996 entdeckte der Heidelberger Forscher Martin Schmelz sogar Nervenfasern, die speziell für Juckreiz und nicht für den Schmerz zuständig sind. Weil die Fasern nur auf den Botenstoff Histamin reagierten, der etwa bei Insektenstichen die Hautrötung auslöst, schien eine Lösung nahe. Doch leider kann es auch an Stellen jucken, an denen überhaupt nichts zu sehen ist und wo das Histamin keine Rolle spielt.
Effektive Hilfe
„Es gibt leider viele Mechanismen, die zu Juckreiz führen“, so Dr. Ständer. „Wir beginnen jetzt erst zu verstehen, dass Jucken eine eigene Empfindung ist, unabhängig vom Schmerzempfinden.“ Ungeachtete des aktuellen Stands der Forschung ist aber die Erfolgsrate auch der weiteren Juckambulanzen in Berlin, Hamburg und Heidelberg hoch: „Wir haben inzwischen effektive Substanzen, die sowohl in der Haut wirken – wie zum Beispiel Antihistaminika – aber auch Therapien, die im zentralen Nervensystem greifen“, so Dr. Ständer. Am wichtigsten ist aber, sich nicht mehr zu schämen zum Arzt zu gehen.
Was tun, wenn’s juckt?
Gegen Mückenstiche bietet die Apotheke Präparate mit Lokal-Anästhetika, die den Reiz für Minuten unterdrücken aber auch bei chronischem Juckreiz sehr nützlich sind. Beispielsweise um einzuschlafen, oder wenn in der Öffentlichkeit spontaner Juckreiz ausbricht. Kühlende Hausmittel wie Essig können ebenfalls helfen. Allerdings besteht hier immer die Gefahr, dass die Haut hinterher stärker geschädigt ist als vorher. Das gilt auch fürdie beliebten Alkoholumschläge, die die Haut zusätzlich entfetten. Als Hausmittel sind deshalb nur Quark-Umschläge wirklich zu empfehlen, weil sie die Feuchtigkeit bewahren. Extrem wichtig ist eine grundsätzliche Hautpflege, für die viele Hersteller hervorragende Lotionen und Fettcremes anbieten. Kratzen ist erlaubt und sollte nicht unterdrückt werden, allerdings lässt sich der Reflex im Vorfeld mit Cremes, Lotionen oder Sprays vermeiden.
So behandelt der Arzt
Juckreiz gilt als chronisch, wenn er an einzelnen Stellen oder der gesamten Haut mehr als sechs Wochen andauert. In diesem Fall wird auch eine spezialisierte Therapie benötigt, die sowohl innerlich wie äußerlich mit Cremes, Antihistaminika, bis hin zu Antidepressiva und cannabinoidhaltigen Präparaten durchgeführt wird, die die Jucknerven ruhigstellen. Als überschätzt gilt allerdings der Einfluss der Psyche. Vorab muss deshalb in ausführlichen Untersuchungen von Blut, Lunge und Bauchraum festgestellt werden, ob, bzw. welche organische Grunderkrankung dem Juckreiz zugrunde liegt.
Die Haut und ihre Anhangsgebilde
Die Haut bildet die äußere Begrenzung des menschlichen Körpers und schützt ihn gegen Bedrohungen aus der Umwelt. Dazu zählen:
- Physikalische Einflüsse, z. B. Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen, Strahlung
- Chemische Einflüsse, z. B. Säuren, Laugen, Gifte
- Biologische Einflüsse, z. B. Bakterien, Viren, Parasiten und andere Krankheitserreger.
Der Mensch nimmt über die Haut viele Informationen aus seiner Umgebung wahr. Sie empfindet beispielsweise die Wärmestrahlung, die von einem Feuer ausgeht und verhindert so, dass der Mensch in die Flammen greift und sich auf diese Weise verletzt. Zahlreiche Nervenenden sind für den Tastsinn der Haut verantwortlich. Sie sind unterschiedlich dicht über die Körperoberfläche verteilt. Besonders viele sensible Fasern finden sich an Händen, Füßen, Gesicht und Geschlechtsteilen. Mit ihrer Hilfe gewinnt der Mensch eine sehr genaue Vorstellung von der Beschaffenheit der Gegenstände, die ihn umgeben. Er kann glatte, raue, weiche, harte, feuchte oder trockene Oberflächen erkennen und unangenehme von angenehmen Berührungen unterscheiden.
Außerdem vermittelt die Haut Informationen über das Gefühlsleben. Beispiele: Eine plötzlich einsetzende, starke Rötung des Gesichtes kann von Zorn, Freude oder Scham ausgelöst sein. Auffallende Blässe deutet Angst an. Ach der Gesundheitszustand spiegelt sich in der Hautfarbe. Ein Mensch, dem es rundum gut geht, hat einen rosigen Teint. Chronisch Kranke sehen oft fahl aus. Manchmal signalisiert die Haut sogar ein spezielles Krankheitsbild. So zeigen Nierenkranke meist eine gräuliche Hautfarbe, während sich bei Patienten mit einer Lebererkrankung die Haut gelblich verfärbt. Auch für die Balance des Wasserhaushaltes und der Körpertemperatur ist die Haut von großer Bedeutung. Die Anhangsgebilde, Haare und Nägel unterstützen die Haut in ihrer Empfindung oder ihrer Schutzfunktion.
Hautschichten
Die Haut besteht aus drei Schichten. Außen liegt die Oberhaut (Epidermis), die zum Schutz vor mechanischer Beschädigung von einer Hornschicht bedeckt ist. Die mittlere Schicht wird als Lederhaut (Korium) bezeichnet. Darunter befindet sich die Unterhaut (Subkutis). Dieser Aufbau ist an der gesamten Körperoberfläche gleich. Abhängig von der jeweiligen Körperpartie finden sich zwei verschiedene Hauttypen: Leistenhaut und Felderhaut. Handflächen und Fußsohlen sind einer besonders starken Belastung durch Bewegung, Berührung und Druck ausgesetzt. Um ihre Aufgaben erfüllen zu können, bestehen diese Areale aus Leistenhaut, die weder Haarwurzeln noch Talgdrüsen, sondern lediglich Schweißdrüsen enthält. Ihre Oberfläche ist von parallel angeordneten Furchen durchzogen. Alle anderen Teile der Körperfläche sind von Felderhaut bedeckt. Der Name stammt von der Anordnung der Furchen, die die Haut in kleine Felder teilt. Auf diesem Hauttyp wachsen Haare, deren Form und Dichte je nach Areal unterschiedlich sind. Felderhaut enthält außerdem Schweiß- und Talgdrüsen.
Oberhaut
Die Oberhaut ist etwa 0,1 – 1,5 Millimeter dick und besteht aus verhorntem Plattenepithel. Die flachen Zellen liegen in mehreren Lagen und sind wie Fliesen nebeneinander angeordnet. Wegen ihrer Struktur sind sie besonders widerstandsfähig und perfekt zum Schutz des Körpers geeignet. In der Hauptsache wird diese Schicht von Hornzellen (Keratinozyten) gebildet, die der Haut ihre Festigkeit verleihen. Bei genauerer Betrachtung lässt sich die Oberhaut noch einmal in verschiedene Schichten einteilen, die alle gefäßlos sind. Von außen gesehen sind dies:
- Hornschicht: Ihre Zellen schilfern durch ihre Reibung der Haut an der Umgebung fortlaufend ab. An Hand- und Fußinnenflächen findet sich direkt darunter die „Glanzschicht“ (Stratum lucidum), die dem zusätzlichen Schutz dient
- Körnerschicht: Produziert eine ölige Substanz, die die Haut geschmeidig hält
- Stachelzellschicht: Ist für die Stabilität der Oberhaut verantwortlich und enthält Melanin, das die Hautfarbe eines Menschen bestimmt. Dieser braune Farbstoff ist nicht immer in derselben Menge vorhanden. Die Farbe der Haut ist von den Anlagen eines Menschen ebenso abhängig wie von der Intensität der Sonneneinstrahlung. Gebräunte Haut enthält mehr Melanin.
- Basalzellschicht: Teilt sich fortwährend und ersetzt die Zellen, die an der Hornschicht durch mechanische Belastung verloren gehen. Von hier auch wächst die Oberhaut nach.
Lederhaut
Die Lederhaut (Korium) ist zwischen 0,3 – 2,4 Millimeter dick. Sie besteht aus elastischem Gewebe und hat zwei Schichten:
- Papillarschicht (Stratum papillare): Hier verlaufen sehr kleine Blutgefäße (Kapillaren), aus denen auch die Oberhaut mit Nährstoffen versorgt wird. Außerdem liegen in dieser Hautschicht die feinen Nervenenden, mit deren Hilfe Menschen Berührungen wahrnehmen. Besonders viele dieser Mechanorezeptoren sind z. B. an den Fingerspitzen und an den Lippen zu finden
- Geflechtschicht (Stratum reticulare): Besteht vor allem aus festem Bindegewebe und enthält Haarwurzeln, Talg- und Schweißdrüsen, Blutgefäße, Nerven sowie Fettgewebe.
Unterhaut
In der Unterhaut (Subkutis) lagern Fettzellen. Sie sind in Haufen angeordnet und je nach Körperzelle unterschiedlich stark ausgeprägt. Der Fettgehalt der Unterhaut dient der Temperaturregulation („Fett wärmt“), erfüllt jedoch auch eine Schutzfunktion für die darunter liegen Körperstrukturen. Darüber hinaus befindet sich hier ein großer Teil der Energiereserve des Körpers. Ein schwergewichtiger Mensch besitzt nicht unbedingt mehr Fettzellen als ein schlanker Mensch, denn diese Zellen haben die Fähigkeit, ihre Größe zu vervielfachen. Außerdem liegen in der Unterhaut Schweißdrüsen und Haarwurzeln. Das Gewebe ist sehr locker aufgebaut und ermöglich ein hohes Maß an Bewegung zwischen der Haut und den Knochen sowie Muskeln.
Hautdrüsen
Die Haut enthält Drüsen, die verschiedene Funktionen übernehmen und in unterschiedlicher Dichte auf der Körperoberfläche verteilt sind.
Schweißdrüsen
Die Schweißdrüsen liegen in der Leder- und Unterhaut und verteilen sich über die gesamte Haut. Besonders viele Schweißdrüsen sind an den Hand- und Fußflächen zu finden. Ihre Ausführungsgänge ziehen sich bis an die Körperoberfläche und enden dort in einer Pore. Diese Drüsen produzieren den Schweiß, ein wässriges Sekret, das Salze, Abbauprodukte des Stoffwechsels und Säuren enthält. Der Schweiß hat mehrere Aufgaben.
Temperaturregulation
Arbeitende Muskeln produzieren Wärme. Um während einer körperlichen Belastung die Temperatur stabil zu halten, beginnen die Drüsen mit der Produktion von Schweiß, der sich auf der Haut verteilt. Dort verdunstet er. Dieser Prozess erzeugt eine Kühlung. Den Kühlungseffekt nutzt der Körper auch unabhängig von Anstrengung, sobald die Umgebungstemperatur steigt. Im Sommer oder in heißen Regionen der Welt schwitzt ein Mensch leichter. Bei Fieber greift das Schwitzen ebenfalls regulierend ein und ist in der Lage, die Körpertemperatur zu senken.
Säureschutzmantel
Durch seinen Gehalt an Säuren erreicht Schweiß einen pH-Wert von etwa 4,5 und schafft damit ein Milieu, in dem Krankheitserreger nicht gut wachsen können. Dies ist eine Selbstreinigungsfunktion des Körpers. Die meisten Menschen schätzen sie allerdings nicht besonders, denn der Schweiß enthält auch Bestandteile, die von den natürlicherweise auf der Haut lebenden Bakterien gespalten werden. Dadurch entsteht ein typischer Geruch, den man zumeist mit mangelhafter Pflege gleichsetzt. Die meisten Menschen versuchen, ihm mit regelmäßiger Körperreinigung zuvorzukommen.
Talgdrüsen
Die Talgdrüsen befinden sich meist in unmittelbarer Nähe der Haarwurzeln und sind in die Lederhaut eingebettet. Ihre Ausführungsgänge enden im Haarfollikel. Die Drüsen produzieren ein fett- und salzhaltiges Sekret, den Talg. Er bildet einen feinen Film und hält Haut und Haar geschmeidig. Die Konsistenz des Sekretes kann zu einer Verstopfung der Drüsenausgänge führen. Auf diese Weise bilden sich Mitesser (Komedonen), die durch den Hautfarbstoff Melanin oft dunkel gefärbt sind.
Besonders während der Geschlechtsreife (Pubertät) kann die Talgproduktion erhöht sein. Dann entzünden sich die Mitesser leicht und verursachen Pickel, die als Akne bezeichnet werden. Sie treten vor allem an Gesicht, Rücken, Nacken und Brust auf, den Hautpartien, an denen sehr viele Talgdrüsen vorkommen. Im Alter verringert sich die Aktivität der Talgdrüsen. Die Haut wird trockener und schuppig. In den äußeren Gehörgängen sitzen spezielle Talgdrüsen, die ein sehr zähes, meist gelb-bräunlich gefärbtes Sekret absondern. Das Ohrenschmalz (Zerumen) dient der Reinigung der Ohren.
Duftdrüsen
Die Duftdrüsen liegen in der Unterhaut und befinden sich vor allem im Bereich der Achseln, am Schambein, den großen Schamlippen, Hodensack, Damm und After. Sie gehören zu den Schweißdrüsen. Ihr Sekret lässt den unverwechselbaren Körpergeruch des Menschen entstehen. Er spielt eine wichtige Rolle für die zwischenmenschlichen Beziehungen. Babys können beispielsweise ihre Mütter am Körpergeruch eindeutig erkennen. (M. Muffin)